Wie aus einer Kindergruppe eine Klassengemeinschaft wird: Ideen für soziales Lernen in der 1. und 2. Klasse

Publiziert am 08.04.2025  von Wenke Bönisch

Der Übergang vom Kindergarten in die Schule: auf dem Weg zu einem neuen Miteinander

Voller Aufregung, Neugierde und Begeisterung starten Erstklässler in ihre Schulzeit. Endlich sind sie kein Kindergarten-Kind mehr, sie sind jetzt groß. Doch schon nach wenigen Wochen tauchen vereinzelt erste Konfliktsituationen oder negative Gefühle auf. Kein Wunder, denn die Umstellung vom freieren Kindergartenalltag auf den strukturierteren, fordernden Schulalltag ist anstrengend. Neue Abläufe, neue Regeln, komplexere Lernaufgaben und Vorgaben müssen die Kinder verstehen und umsetzen. Zudem sind die Kinder nun Teil einer neuen sozialen Gemeinschaft, ihrer Klasse. Vielleicht wechselten Kindergartenfreunde mit in die neue Klasse, eventuell kennen sie ein anderes Kind aus ihrem Wohngebiet – doch jede Klasse ist zufällig entstanden. Eine Klasse ist eben kein selbstgewählter Freundeskreis und auch keine Familie. Sie ist eine Gemeinschaft aus Kindern, deren Gemeinsamkeit der Schulstart in einem Wohnkreis ist. Soziale, kulturelle oder sprachliche Unterschiede zwischen den Mitschüler:innen können die neu gebildete Klasse stark prägen.

Zusammen wachsen: Warum eine gute Klassengemeinschaft wichtig ist

Neben dem Vermitteln des Lernstoffes ist das Formen einer guten Klassengemeinschaft die zweite große Aufgabe einer Grundschullehrkraft. Durch unterschiedliche Erziehungsstile in den Elternhäusern, den Migrationshintergrund vieler Schüler:innen oder verschiedene Familienmodelle, mit denen die Kinder aufwachsen, wurde diese Aufgabe für die Lehrer:innen in den letzten Jahren immer herausfordernder.
Nach der Kindergartengruppe ist eine Klasse oft die nächste fremde Kindergruppe, in die sich die Schulanfänger einfügen müssen. Eine große Herausforderung für Sechs- oder Siebenjährige, die wir als Erwachsene nicht unterschätzen sollten! Auch wenn Kinder in dieser Altersgruppe offen und neugierig sind, haben sie natürlich ihren eigenen Charakter, eigene Vorstellungen und Wünsche.
Erfolgreiches Lernen und Lehren gelingt viel besser, wenn die Grundschüler sich in der Klasse wohlfühlen, konzentriert dem Unterricht ohne große Störungen folgen können und respektvoll trotz Meinungsverschiedenheiten und Konflikten miteinander umgehen.

Höflichkeit, Empathie und Toleranz fördern: 6 praktische Ideen

In der Realität ist der Weg zu einer Klassengemeinschaft eher holprig. Da stört das eine Kind den Unterricht mit Reinrufen, das andere beschimpft seine Mitschüler aus Frust. Viele Lehrer:innen meinen dann, dass einen Sack Flöhe hüten wohl einfacher wäre (und haben da bestimmt manchmal gar nicht mal so unrecht).
Damit respektvoller, höflicher Umgang miteinander gelingen kann, habe ich hier ein paar Tipps gesammelt:

  1. Fröhlich den Tag begrüßen: Neben dem freundlichen Guten-Morgen-Gruß eignen sich ein Lied oder ein kurzer Reim wunderbar, um gemeinsam in den Tag zu starten. Die Kinder können hier eigene Ideen einbringen oder es werden Themen aus dem Unterricht aufgegriffen (Stichwort Jahreszeit). Ist ein Monat vergangen, gibt es ein neues Lied oder Kurzgedicht – das schafft Abwechslung. Weitere Ideen u.a. für Morgen- und Abschiedsrituale stellt Nadine Mescher in ihrem Karten-Set vor: 30 Rituale und Übergänge in der Grundschule
  2. Was passiert wann? Symbolbilder eignen sich perfekt, den Tagesablauf vor allem für Erstklässler deutlich zu machen. Ein geregelter Tagesablauf bringt nicht nur Struktur in den Tag, sondern vor allem auch Routine und Sicherheit. Mit dem Bildkarten-Set „Unser Tag in der Schule“ haben Sie gleich die passenden Symbolkarten bei der Hand.
  3. Andere ausreden lassen, niemanden auslachen und Danke sagen: Ein guter Umgang miteinander gelingt nur, wenn alle die Regeln kennen. Doch 20 Regeln auf einmal sind für Kinder zu viel. Legen Sie 5 Regeln je nach aktueller Lage in der Klasse fest, erläutern Sie diese den Kindern – und natürlich auch die Konsequenz bei Nichteinhalten. Auf den Bildkarten "Klassenregeln für die Grundschule" sind die Regeln bildlich dargestellt.
  4. Konzentriertes Arbeiten und bewegte Pause: Grundschüler sitzen viel und auch noch in einem Raum mit vielen Kindern. Neben Phasen des konzentrierten Arbeitens (dazu gehört auch das Zuhören) braucht es die Pause z. B. durch eine kleine Bewegungseinheit. Fenster auf, tief einatmen und dann einmal eine Power-Yoga-Übung für Kinder oder die Bewegungsübung „Äpfel pflücken“ oder eine Runde Kniebeuge. Fortgeschrittene können zeigen, ob sie ohne Probleme eine Runde Laurentia schaffen – natürlich mit Singen! Mehr Ideen für bewegte Pausen finden Sie im Kartenset "Power-Pausen".
  5. Von Diensten bis zur Zimmerpflanze: Selbständig werden bedeutet Verantwortung zu übernehmen – für sich und für andere. Ordnung am Platz und die benötigte Arbeitsmaterialien bereit halten: Das alles können auch schon Erstklässler lernen und mit Unterstützung selber organisieren. Bildkarten können hierbei visuell unterstützen. Wechselnder Kehr- oder Mülldienste zeigen den Kindern, dass eine Arbeit für die Gemeinschaft allen zugutekommt. Und anhand robuster Zimmerpflanzen können Kinder lernen, dass es Lebewesen gibt, die von ihnen abhängig sind. – Sie gedeihen nur, wenn die Kinder für sie sorgen.
  6. Dem anderen etwas Gutes tun: eine Massagegeschichte oder das Spiel „Geheimer Freund“* – bei beidem tun die Grundschüler:innen Mitschüler:innen etwas Gutes und zwar nicht unbedingt ihren Freunden, sondern einem beliebigen Mitschüler. Das fördert die Aufmerksamkeit, Empathie und Toleranz.

Grundschullehrer:innen sind die Kapitäne ihrer Klasse. Oft ist es ein längerer Prozess, bis sich eine Klassengemeinschaft herausgebildet hat. Die Kinder brauchen dabei Erwachsene als Vorbilder mit einer guten Prise Menschlichkeit und Langmut.

*Anleitung für das soziale Spiel „geheimer Freund“: Schreiben Sie die Namen der Kinder einzeln auf je einen Zettel. Jeder Schüler zieht den Namen eines Mitschülers. Für diesen ist sie oder er eine bestimmte Zeit lang ein geheimer Freund: Sie oder er tut ihm etwas Gutes, z. B. ein nettes Wort zu ihm sagen, ihr oder ihm ein Arbeitsblatt mitbringen oder zum Spielen einladen – und zwar immer so, dass der Gezogene nicht weiß, wer sein geheimer Freund ist. Führen Sie das Spiel immer wieder in gewissen Abständen durch.

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Wenke Bönisch, Mutter von 4 Kindern, beruflich für eine Online Marketing-Agentur tätig, rezensiert seit 2013 Kinder- und Jugendbücher auf ihrem Buchblog kinderbibliothek.blogspot.com. Hier im Blog des Don Bosco Verlages schreibt sie über Themen aus der Elternperspektive.

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