Entspannt und achtsam durch den Alltag.

Herzensort im Kindergarten

Publiziert am 07.02.2017  von Frank Hartmann

Religion in der Kita braucht seinen Platz

Menschen brauchen Orte – zum Erinnern (ein Grab auf dem Friedhof, ein Denkmal an einem historischen Ort), zum Wohlfühlen und Zurückkehren (das eigene Zimmer, das Lieblingslokal, die ursprüngliche „Heimat“), zum Auftanken und Innehalten (Natur, Kirchen, Urlaubsorte, Wellness-Oasen). Orte sind auch Kristallisationspunkte für Spiritualität und religiöse Bedürfnisse, für Gefühle und menschlichen Ausdruck.
Natürlich brauchen auch Kinder Orte – als junge Menschen, die einen Platz für sich und ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse und ihren Ausdruck suchen, ganz besonders! Was bieten wir ihnen an – in der Kita, zu Hause, im öffentlichen Bereich? Die Weisheit, dass der Raum als „dritte Erzieherin“ der Kita quasi „mitarbeitet“, scheint für klassische Bildungsbereiche bedacht und umgesetzt zu werden – religionspädagogisch jedoch leider nicht. Dabei ist es gerade bei diesem „flüchtigen“, im Alltag zunehmend verschwindenden Thema menschlichen Lebens besonders wichtig, dass es lebendige, sichtbare Orte zum Aufsuchen gibt.

Die Vorteile eines „Herzensortes“ in der Kita

Das Buch „Herzensort“ beschreibt die Idee eines religionspädagogischen Ortes praxistauglich für den Kita-Alltag. Es begleitet bei der vorab nötigen guten Planung und Überlegung, inspiriert (Um-)Bautätigkeit in Kooperation mit einem Tischler / einer Tischlerin oder Eltern, beschreibt die mögliche, alltägliche Nutzung eines solchen Ortes. Hat man einen Herzensort in seiner Kita installiert, wird diese „Investition“ die religionspädagogische Arbeit maßgeblich prägen und tragen: 

  • Der Aufwand/Anlauf, religionspädagogisch mit Kindern zu arbeiten, minimiert sich.
  • Im täglichen Alltag wird situationsbezogen und begleitend (statt ausschließlich in Andachten) spürbar, was Religion und Spiritualität bedeuten und „leisten“, wie Glaube konkret und lebendig wird.
  • Ein Stück Profil- und Öffentlichkeitsarbeit geschieht ganz nebenbei.
So kann es gehen: Best practice



Die evangelische Kita Herbolzheim (Baden-Württemberg) hat nach dem Lesen des Buches und einem Seminar zum Thema „Herzensort“ die Idee gründlich bedacht und praktisch und individuell umgesetzt. Der Herzensort wächst seither zur räumlichen und religionspädagogischen Mitte des Hauses heran und findet bei Kindern, Eltern und Team starkes Interesse. Und so sieht es das Kita-Team Herbolzheim selbst:

Unser Kindergarten-Team freut sich, dass Religion zum gelebten Thema am Herzensort wird, zu dem wir vor ca. einem Jahr erste Überlegungen anstellten.
Unser Herzensort füllt sich so nach und nach mit Leben. Zum Wochenbeginn begrüßen dort alle Kinder gemeinsam die Woche. Die Eltern, die das beim Bringen ihrer Kinder miterleben, hat das neugierig werden lassen. Ihre Fragen, wie z.B. „Wie sieht denn eure ganzheitliche und sinnorientierte Herangehensweise an Religion für Kinder am Herzensort sonst noch aus?“, werden demnächst bei einem Elterntreff Thema eines Dialogs sein.
Was außerdem bereits im Alltag am Herzensort geschieht:
Unsere Kinder haben in ihrer Gruppe Symbole erarbeitet, diese erleichtern den Kindern, sich auszudrücken und zu sagen, was jeder auf dem Herzen hat. Einige Beispiele:

  • Hannah hat die Feder genommen und gesagt: „Herzensort ist ein schöner Name, ich fühl mich gut da.“  
  • Lena nimmt den Stein und sagt: „ Ich bin traurig.“ Warum sie traurig ist, will sie nicht sagen – das muss sie auch nicht, es bleibt so stehen.
  • Max hat die Blume genommen und sagt: „Ich freu mich auf den Besuch bei meinem Freund.“
  • Am Ende halten sich alle an den Händen und wir sagen unseren Kindersegen:
  • „Gott schenkt uns Lachen, er wird über uns wachen, bei ihm sind wir geborgen, wir brauchen uns nicht sorgen, er gibt uns Halt und darum bis bald.“
Die „kleine“ Lösung: Der Aufklapp-Altar für Kita, Kinderkirche und Familie

Doch mancherorts lässt sich diese Idee so (noch) nicht umsetzen – entweder es fehlt an Platz oder der Prozess im Team hat keine (unbedingt notwendige) Einigkeit zur Frage des „Herzensortes“ in einer Kita ergeben. Dann können interessierte Mitarbeitende auch auf einen Klappaltar zurückgreifen. Eine Fensterbank, ein Tisch oder ein Podest bieten ausreichend Fläche, um den Klappaltar aufzustellen und in Anlehnung an die Idee des „Herzensortes“ für den täglichen Gebrauch zu nutzen. Diese „kleine Lösung“ unterstützt und formt aber auch die religionspädagogische Arbeit einer einzelnen Gruppe, selbst wenn es z.B. einen „Herzensort“ im Hause gibt. Familien, die zu Hause gerne einen Ort schaffen wollen, an dem Spiritualität sichtbar wird, finden im Klappaltar ebenfalls eine praktische Lösung, die sie individuell und kreativ mit Leben füllen kann.
 
Frank Hartmann bietet auch Seminare zum Herzensort an.

Wir danken dem Team des Evangelischen Kindergartens Herbolzheim für Fotos und Beitrag.

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