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Das Geheimnis der kleinen Bühne: Interview mit Erzählschienen-Erfinderin Gabi Scherzer


Don Bosco Medien: Frau Scherzer, in Ihrer Hand liegt ein – etwa 40 cm breites – Holzbrett mit drei Rillen. In eine Rille haben Sie eine lachende auf dickes Papier gemalte Kartoffel gestellt, und dahinter eine Pappfigur, eine gutmütig schauende Oma. Das Brett haben Sie Erzählschiene getauft. Die Szenerie stammt aus dem Märchen „Der dicke fette Pfannkuchen“. Wie kamen Sie auf die Idee, mit diesen einfachen Materialien Geschichten zu erzählen?

Gabi Scherzer: Da kommen bei mir drei Dinge zusammen: Erstens: Ich lebe von starken inneren Bildern und von guten Geschichten. Zweitens: Ich liebe es, mit einfachen Materialien kreativ zu sein. Drittens: Es beglückt mich, wenn ich die innere Bilderwelt von großen und kleinen Menschen erreiche und dann das Bedürfnis nach persönlichem, kreativem Ausdruck wecken und begleiten darf. Mit der Erzählschiene® und auch der Tischbühne® habe ich ein Material und eine Methode zu gestalten, zu erzählen und zu bewegen entwickelt. 

Für wen ist denn die Erzählschiene geeignet, und wo kann sie eingesetzt werden? Muss ich etwas „können“, um diese Form des Figurentheaters zu verwenden?

 Jeder der ein offenes Herz für Geschichten und Bilder mitbringt und Lust am Erzählen und Gestalten hat, wird seine Freude an der Erzählschiene haben. Mit der Zeit wird man aber feststellen, welchen „Krea-Tiefgang“ diese Ausdrucksform ermöglicht. Darin kann sich dann jeder nach Lust, Laune und Geschick vertiefen.

Sie sagen, dass die Erzählschiene in der Arbeit mit Kita-Kindern, in der Grundschule und sogar in der Seniorenarbeit genutzt wird. Was ist das Geheimnis an dieser kleinen Bühne, dass praktisch alle Generationen daran Freude haben können?

 Ja, ich bin auch jedes Mal wieder begeistert von dem Zauber der kleinen Bühne. Es liegt wohl daran, dass Groß und Klein Geschichten lieben und mit dem Erzählschienenspiel die Identifikation sehr leicht gelingt. Die reduzierten Formen und Figuren wecken die persönliche innere Bilderwelt und schon werden die Papierfiguren lebendig und jeder ist mitten in der Geschichte. Darüber hinaus motiviert die kleine Bühne mit genau 3 Rillen und die Transparenz des Spiels, dass jeder selbst Hand anlegen will. Denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Das Erzählbrett verwandelt sich durch Bild, Sprache und Bewegung in die kleinste Bühne der Kita oder der Grundschule: Die Erzählschiene.Im Kindergarten spielt die Sprachförderung eine große Rolle, weil Sprache der Schlüssel zur Bildung ist. Sie wünschen sich, dass jede Erzieherin, jeder Erzieher die Erzählschiene im pädagogischen Werkzeugkasten hat. Warum ist das Brett mit den drei Rillen so ein gutes Sprachförderungs-Tool?

 Wenn ein Kleinkind mit dem Auto spielt, hört man auch: „Brumm, brumm, brumm“. Die Handlung wird natürlicherweise von Lauten/Sprache begleitet. Das ist im Vergleich zu Bilderbuch und Kamhisbai auch der Mehrwert beim Erzählschienen-Spiel. Es wird in drei Formen erzählt:  in Wort, in Bild und eben auch in Bewegung. Sprache kommt den Kindern viel leichter über die Lippen, wenn die Hand das Bild bewegen darf. Aus der Gehirnforschung wissen wir von dem großen Motorikareal, an welches das kleine Sprachzentrum angrenzt. So unterstützt die Handbewegung im Spiel bzw. das bewegte Bild auch die Sprachbildung und Sprachförderung. 

Was bedeutet aus Ihrer Sicht das erzählerische Element für das Lernen – z.B. von Formen und Farben, Sachzusammenhängen oder Abläufen? Kann man sagen, dass der erzählerische Zugang zu Inhalten das Lernen erleichtert?

 Aus der Gedächtnispsychologie wissen wir, dass Lernen leicht gelingt, wenn die rational-analytische und die bildhaft-ganzheitliche Gehirnhälfte zusammenarbeiten. Durch die Erzählung wird eine Information vielschichtiger und ganzheitlicher. Deshalb kann der Lerngegenstand oftmals über das reduzierte und bewegte Bild auf der Erzählschiene leicht vermittelt und vor allem auch individuell integriert bzw. verankert werden.

Geschichtensäckchen, Kamishibai und jetzt die Erzählschiene – alles analoge Arbeitsmittel, die Fantasie zur Sprache zu bringen! Glauben Sie, dass die Erzählschiene gerade in unserem digital geprägten Leben eine besondere Daseinsberechtigung hat?

 Umso digitaler unsere Welt wird, umso wichtiger werden analoge Arbeitsmittel – gerade für elementare Lernprozesse, bei denen es im wahrsten Sinne des Wortes um Be-greifen geht. Dabei nimmt die Erzählschiene in meinen Augen eine Vorrangstellung ein. Durch die fächerübergreifend kreativen wie individuellen Möglichkeiten der Begegnung, Vertiefung und Weiterentwicklung von Geschichten/Inhalten ermöglicht man den Kindern selbsttätige Lern- und Bildungsprozesse. Darüber hinaus wird die innere Bilderwelt gepflegt und genährt: Starke Bilder – starke Kinder!

Frau Scherzer, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch.

 

Im Don Bosco Verlag sind zahlreiche Geschichten für die Erzählschiene erschienen.

Wenn Sie mehr über Gabi Scherzer erfahren möchten und Interesse an Fortbildungen im Bereich Kreativität und Erzählen haben, besuchen Sie www.gabi-scherzer.de

 

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