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"Gesundheit" muss umfassend verstanden werden: als körperliches, soziales und emotionales Wohlbefinden (so umschreibt es die WHO Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung 1986). Das hat für die Kita eine weitreichende Bedeutung und deshalb sind auch in jedem Bildungsplan, unabhängig vom Bundesland, zahlreiche Bildungsziele in diesem Bereich verankert, z.B.:
Wenn Fachkräfte ihr tägliches pädagogisches Handeln auf diese Ziele ausrichten, ist eine gute Basis für ein gesundheitsförderliches Aufwachsen möglich. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten für eine ganzheitliche Gesundheitserziehung in der Kita, die sich als pädagogische Schwerpunkte im Kita-Alltag verankern lassen!
Kinder sind Zukunft. Das ist unumstritten. Und so sollten wir den Kindern Lust machen auf das Leben, ihr Leben, also auf eine gute und gesunde Lebenszeit. Das bedeutet aber auch, dass wir sie von Anfang an lehren, wie sie sich um den eigenen Körper kümmern können. Denn der Körper ist nun mal der Ort, indem wir leben, den wir sozusagen als „Haus“ zum Leben zur Verfügung haben.
In diesem „Lebenshaus“ leben, wachsen und reifen wir und es sollte bestenfalls 120 Jahre halten – eben ein Leben lang. Optimal wäre es, wenn das gesunde Lebensjahre sind, die mit guter Lebensqualität einhergehen. Und da wir nur diesen einen Körper, dieses eine Haus haben, sollten Kinder schon sehr früh lernen, darauf aufzupassen, und wissen, wie sie ihren Körper gesund und „in Ordnung“ halten können.
Kleine Schäden wie Schrammen, Abschürfungen und Beulen, die „Renovierungsarbeiten“ nach sich ziehen, gehören zum Aufwachsen mit dazu. Die großen Schäden allerdings sollten vermieden werden. Daher gilt es Kindern spielerisch beizubringen, auf was sie achten bzw. aufpassen müssen. Das ist das Prinzip der Salutogenese, nach dem Motto: Wir müssen präventiv alles dafür tun, dass die Kinder gesund bleiben und nicht erst darauf warten, bis sie krank werden, um sie dann mühevoll wieder gesund zu machen.
Exemplarisch aus der Vielfalt an Möglichkeiten der Gesundheitsbildung will ich zwei Bereiche in den Blick nehmen, um aufzuzeigen, wie einfach eine ganzheitliche Gesundheitserziehung angegangen werden kann: nämlich bei den Themen „Essen“ und „Bewegung“.
Ein guter Anfang: essen zu lernen. Das gemeinsame, lustvolle Essen mit frisch zubereiteten Nahrungsmitteln ist wichtiger denn je. In fast jeder Kita ist es eine Selbstverständlichkeit, zu Mittag gemeinsam zu essen, in der Tischgemeinschaft. In den Familien sieht es häufig anders aus. Auch bei dem, was gegessen und vor allem wie gegessen wird. In vielen Familien gibt es häufig zu viel Industriezucker, zu viele Fertigprodukte, zu viel Fettes, oft wird nicht frisch selbst gekocht. Zudem wird zu hastig gegessen, die Nahrung schnell runtergeschlungen oder nebenbei während des Fernsehschauens eingenommen. Viele Kinder kommen ohne gefrühstückt zu haben in die Kita oder essen ihr Frühstück (Schokohörnchen aus der Tüte) auf dem Weg zur Kita.
Das Richtige essen, das was dem Körper guttut und ihn gesund erhält – „Industriezucker“ gehört nicht dazu! Er macht nicht nur Kinder übergewichtig, träge und krank, sondern auch uns Erwachsene. Bitte verzichtet daher in der Kita, wo es nur geht, auf industriell raffinierten Zucker.
Eine achtsame, wertschätzende, langsame Nahrungsaufnahme ist mit Blick auf die Gesundheitserziehung ein wichtiges Ziel, was sowohl in der Kita als auch der Familie leicht umzusetzen wäre. Das gemeinsame Esstempo passt sich bestenfalls an das Tempo der Kinder an. Auch hier kann die Kita einen wichtigen Beitrag leisten und der gemeinsamen Nahrungsaufnahme beim Mittagessen eine neue Gewichtung geben. Der Tischspruch oder das Tischgebet können den Auftakt bilden. Diese kurze Wartezeit vor dem Verzehren der Nahrungsmittel regt mit Blick auf den Teller die Verdauungssäfte an und lässt die Kinderrunde am Tisch ruhig werden: Gemeinsame Vorfreude kommt auf, der Fokus wird auf das Essen gerichtet. Alle werden aufmerksam für das, was da Leckeres kommt oder bereits auf dem Tisch steht.
Und dann wird gemeinsam „Danke“ gesagt, für den Salat, das Gemüse oder den Fisch. Zudem wird ein wichtiges Signal an die Kinder gesendet: Wir dürfen uns Zeit nehmen! Darüber hinaus wird dem Essen Wertschätzung entgegengebracht: der damit verbunden Nahrungsaufnahme, den Nahrungsmitteln und ebenso den Personen, die alles zu- bzw. vorbereitet haben.
Das gemeinsame Essen wird zur Bildungseinheit, zur Mahlzeit. Keine hastige Nahrungsaufnahme, kein Nebenbei, Unbewusst, Zwischendurch, Schnell-schnell, „Hauptsache, satt“. Sondern achtsames, bewusstes Essen! Denn wir führen die Nahrungsmittel, das Essen, unserem Körper zu, geben es hinein in unser „Haus“.
Die Nahrungsaufnahme ist ein sehr intimer und wichtiger Akt, der Auswirkungen auf das ganze spätere Leben hat. Viele Wissenschaftler:innen sind sich heute einig: Wenn Kinder früh lernen, achtsam und langsam zu essen, gibt es keine übergewichtigen Menschen mehr. Lassen wir dies kurz sacken: Was wäre wenn … Langsames Essen und bewusstes Kauen sind also nicht nur hilfreich, um Übergewicht zu vermeiden, sondern auch noch förderlich für unseren Darm sowie für unsere Geschmacksnerven und unsere Selbstwahrnehmung. Bewusst zu spüren, wann die Sättigung einsetzt, ich „satt bin“, erleben und wahrnehmen, wie sich die Konsistenz der Nahrungsmittel im Mundraum anfühlt und der damit verbundene Geschmack sich entfaltet. – Das sind Erfahrungen, die sich tief in unser Essensgedächtnis einprägen.
Und nach dem Essen folgt die Reinigung des „Kauwerkzeugs“ – denn gesund beginnt im Mund! Das tägliche Zähneputzen nach der Mittagsmahlzeit (sowie auch nach dem Frühstück und dem Abendbrot zuhause) sind wichtige Meilensteine auf dem Weg der eigenen Gesunderhaltung. Das Zähneputzen ist daher eine Zukunftskompetenz, da Kinder eine erste und wichtige Strategie lernen, sich und somit auch ihren Körper, ihr „Haus“ gesund zu erhalten. Denn wer schon seine Milchzähne pflegt, obwohl sie ausfallen, hat gelernt, dass die neuen Zähne, die dann nachwachsen, wertvoll sind und ein Leben lang halten müssen und daher Reinigung und Pflege benötigen.
Barfußlaufen – was für ein Vergnügen und vor allem was für eine schnelle und einfache Art der Gesundheitsförderung in der Kita. Schuhe ausziehen und los! Kindern im Alltag die Schuhe auszuziehen bedeutet: 30.000 Nerven, 26 Fußknochen, 33 Gelenke, 20 Muskeln und 114 Bänder aus den manchmal viel zu steifen Kinderschuhen zu befreien (Vgl. Marion Grillparzer (2017) smart aging, Cristian Verlag GmbH, München, S. 16). Pädagogische Fachkräfte können die Kinder dazu motivieren, mit Socken oder barfuß in der Kita und im Sommer auch draußen herumzulaufen. Die Kinder gewähren den Füßen und damit sich selbst „freien Lauf“ und ermöglichen damit zigtausend neue Wahrnehmungen und Erfahrungen.
Denn auf den Füßen liegt mit den sogenannten Fußzonen die Landkarte des Körpers. Diese werden beim Barfußlaufen stimuliert, sodass die Organe belebt und angeregt werden. Zudem entspannt Barfußlaufen, kein Wunder also, dass so manches Bauchweh sich wie von selbst „heilt“, wenn das Kind barfuß durch den Garten tollt. Auch viele Erwachsene laufen gern im warmen Sand am Meer oder über eine Wiese barfuß, wackeln mit den Zehen und genießen das wohltuende Gefühl an den Füßen. Hier können Erzieher:innen sofort als Vorbild agieren, indem auch sie barfuß im Außengelände unterwegs sind. Also Schuhe ausziehen und los!
Ermöglicht den Kindern (und auch euch) täglich kleine Fußmassagen und Fußzonenstimulationen, indem ihr Barfußlaufen im Innenbereich der Kita und auch im Außengelänge ermöglicht. Ein Barfußparcours lässt sich zudem innen wie außen leicht einrichten. Barfußlaufen unterstützt die Entwicklung des Nervensystems bei Kindern, da die Füße von vielen Nervenbahnen durchzogen und durch das Barfußlaufen stimuliert werden.
Barfußlaufen verbessert die Lauftechnik, die Haltung und trainiert und stärkt wie nebenbei die Fußmuskulatur, denn Kinderfüße müssen das Körpergewicht bei jedem Schritt abfedern und Unebenheiten ausgleichen. Barfußlaufen ist daher ein Vergnügen für alle und eine ganz besondere Herausforderung, nicht nur für die Füße. Ganzheitliche Gesundheitsförderung kann so einfach sein!
Ein Zitat von Maria Montessori lautet sinngemäß: „Was nicht in den Händen war, geht auch nicht in den Verstand.“ Für die Füße und den gesamten Körper gilt dies meiner Meinung nach gleichermaßen. Denn wer sich viel bewegt und seinen Körper fit hält, tut gleichzeitig etwas für sein Gehirn. Für unsere Kinder ist der Körper ihr erster „Lernort“, mit ihm bewegen sie sich fort, erobern über ihn die Welt. Bewegung hält zudem fit, „putzt“ die Gefäße und regt den Stoffwechsel an. Kleine und auch größere Kinder lieben es, sich körperlich auszuprobieren, erleben so die eigene Selbstwirksamkeit, stoßen an Grenzen und lernen diese auszuloten und zu erweitern.
Bewegung und Sport verbessern die geistige Leistung, da Erfahrungen und Gefühle sich leichter im neuronalen Netzwerk verankern und so zu Wissen über den eigenen Körper und die Welt werden. Auch deshalb muss im Alltag Raum für Bewegung vorhanden sein, indem die Spiel- und Lernräume bewegungsfreundlich gestaltet und den Kindern im Innen- wie Außenbereich vielfältige Bewegungserfahrungen ermöglicht werden.
Neben gesundem Essen, viel Bewegung und körperlich sinnlichen Erfahrungen bauchen Kinder auch die Möglichkeit, am Modell zu lernen, also positive Vorbilder! Erwachsene, Eltern und pädagogische Fachkräfte, die ihnen vorleben, wie man sich gesund hält und auch selbst achtsam mit sich und dem eigenen Körper umgeht, sind wichtige Wegbegleiter und Wegbereiter. Wer also selbst regelmäßig Sport treibt und in Bewegung ist, auf Erholungspausen achtet und dem Körper gesunde Nahrungsmittel zuführt, zeigt nicht nur Kindern auf, wie es geht, sondern pflegt auch sein eigenes „Haus“. Gleichzeitig wird für die Kinder die Körperpflege und Gesunderhaltung zu einer nachahmenswerten Tätigkeit.
Wenn alle Fachkräfte in der Kita, am besten gemeinsam mit den Eltern, dafür sorgen, dass das „Lebenshaus“ der Kinder „auf gutem Grund gebaut“ wird, schaffen wir eine gute Grundlage für ein gesundes Aufwachsen der uns anvertrauten Kinder. Darüber hinaus helfen wir ihnen, früh Strategien zu erlernen, um ihren Körper lange gesund zu erhalten und eine gute Lebenszeit zu haben.
Die Broschüre: „Die gute gesunde Kita gestalten. Referenzrahmen zur Qualitätsentwicklung in der guten gesunden Kita. Für Kita-Träger, Leitungen und pädagogische Mitarbeiter“ kann bei der Bertelsmann Stiftung kostenfrei runtergeladen werden.
Ursula Günster-Schöning, SeniorCoach QRC, systemische Organisationsentwicklerin und Autorin, Staatlich anerkannte Sozialfachwirtin im Sozialwesen mit langjähriger Praxiserfahrung in Team- und Qualitätsentwicklung, leitet das Fortbildungsinstitut ERFOR. Im Gesundheitsbereich ist ihr vor allem das Thema Zahngesundheit in Fortbildungen wichtig. Zahlreiche Publikationen im Bereich der frühkindlichen Bildung. www.ursula-guenster.de
Ursula Günster-Schöning, SeniorCoach QRC, systemische Organisationsentwicklerin und Autorin, Staatlich anerkannte Sozialfachwirtin im Sozialwesen mit langjähriger Praxiserfahrung in Team- und Qualitätsentwicklung, leitet das Fortbildungsinstitut ERFOR. Spezialisierung in den Bereichen: Übergangsgestaltung Kita - Grundschule, Sprachentwicklung , Changemanagement und Führungskräftecoaching. Zahlreiche Publikationen im Bereich der frühkindlichen Bildung. www.ursula-guenster.de
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Ursula Günster-Schöning, SeniorCoach QRC, systemische Organisationsentwicklerin und Autorin, Staatlich anerkannte Sozialfachwirtin im Sozialwesen mit langjähriger Praxiserfahrung in Team- und Qualitätsentwicklung, leitet das Fortbildungsinstitut ERFOR. Spezialisierung in den Bereichen: Übergangsgestaltung Kita - Grundschule, Sprachentwicklung , Changemanagement und Führungskräftecoaching. Zahlreiche Publikationen im Bereich der frühkindlichen Bildung. www.ursula-guenster.de
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